Die Tante SPD und das Neuland

Ich weiß nicht, von wem sich die SPD fachlich und strategisch beraten lässt. Aber das ist einfach nur noch traurig: Nun will also Katharina Barley Artikel 13 (entgegen den geschlossenen Stimmen der eigenen EU-Abgeordneten, entgegen dem eigenen Koalitionsvertrag, entgegen der eigenen Position in den vergangenen Wochen) zustimmen und das Ganze mit einer rechtlich nachweislich nicht bindenden Dekoempfehlung versehen – dabei wäre ein Nein noch möglich gewesen. Verabschiedet wird das Ganze dann vom Agrarministerium, wo Digitales noch schlechter hinpasst als ins Verkehrsministerium (dass das noch möglich war). Man ist wohl der Ansicht, wenn in der Erklärung nur Google und Facebook als Bösewichte genannt sind, werden schon alle Beifall klatschen, egal was sonst noch daraus folgt.

Ich weiß nicht, von wem sich die SPD beraten lässt. Die SPD hätte sich im Sturm die Herzen vieler potentieller Wähler unter 60 erobern können. Nun bestraft sie sogar den eigenen Nachwuchs, der sich seit Jahren wieder und wieder für die Altvorderen schämt und hoffnungsvoll trotzdem plakatieren geht, obwohl ihm die Willy-Brandt-Gedächtnisshow aus dem Image-Shop und eigene Posten als Parteiprogramm für morgen nicht reicht, obwohl ihm die Substanz und Authentizität, die vielbeschworene, in der miterlebten Gegenwart fehlt.

Stichwort Generationenprägungen und Mentalitätsgeschichte: Solche PolitikerInnen, die in letzter Sekunde wider besseren Wissens entscheiden (Wissen, das ihnen von der eigenen Klientel mühsam vermittelt werden musste, siehe Post Kevin Kühnert, die SPD sei wenigstens lernfähig), solche Politiker machen ihre Wähler wütend für immer. So etwas brennt sich ein. Und das Timing vor der EU-Wahl mit Barley herself als Spitzenkandidatin ist nicht einfach nur strategischer Selbstmord.

Sich über Wochen als Verfechter des freien Internets zu argumentieren, und nun diesen Vorteil, der ein Versprechen war, gegenüber dem in der Sachfrage unpopulären politischen Gegner (oh ach ja: auch Koalitionspartner) dermaßen zu vergeben, ist, als spiele man in Überzahl und würde kurz vor Schluss aus Mitleid absichtlich Eigentore schießen um zu egalisieren. Aber hier geht es nicht um Fußball, hier geht es nicht um Marketing, sondern um bindende Rechtsprechung.

Wie einer auf Twitter schrieb: Die SPD WILL sterben. Nicht einmal sie selbst und auch nicht die Jusos können nach dieser von manchen als Betrug bezeichneten Entscheidung noch erklären, warum man die SPD und konkret dieses Personal wählen soll. Peinlich. Traurig. Bitter.

Schreibe einen Kommentar

Ich bin mit der Datenschutzerklärung und der Speicherung meiner eingegebenen Daten einverstanden.